In Produktionsanlagen herrscht traditionell geschäftiges Treiben, die Anforderungen an Präzision und Leistung steigen ständig. Das kabelgebundene Kommunikationsprotokoll HART erfreut sich großer Beliebtheit. In den letzten Jahren wurden jedoch auch seine Beschränkungen immer deutlicher. WirelessHART entwickelt sich aufgrund seiner Vorteile, zu denen unter anderem geringere Installationskosten, eine bessere Zuverlässigkeit und eine höhere Sicherheit gehören, schnell zum Protokoll der Wahl. Dieser Artikel untersucht die Eignung der WirelessHART-Technologie von Silicon Labs für moderne industrielle Anwendungen.
Einführung
Highway Addressable Remote Transducer (HART) ist ein kabelgebundenes Kommunikationsprotokoll, das in der Prozessindustrie häufig verwendet wird. Mit über 40 Millionen eingesetzten Geräten ist HART der globale Standard für die digitale Kommunikation über analoge 4–20-mA-Stromschleifen und verbindet verteilte Steuerungssysteme mit Feldinstrumenten wie Sensoren und Aktoren.
WirelessHART wurde 2007 als erstes industrielles Mesh-Protokoll eingeführt, das HART um Wireless-Funktionen erweitert und gleichzeitig die Abwärtskompatibilität mit vorhandenen HART-Systemen aufrechterhält. WirelessHART verwendet einen standardmäßigen 802.15.4-Funktransceiver, der auf das weltweit zugängliche 2,4-GHz-Frequenzband beschränkt ist. In den höheren Schichten des Protokollstapels enthält WirelessHART zahlreiche Anpassungen und Erweiterungen gegenüber dem 802.15.4-Standard, um die strengen Anforderungen industrieller Anwendungen wie geringe Latenz, Determinismus, Robustheit und Sicherheit zu erfüllen. Die folgenden Abschnitte bieten einen Überblick über WirelessHART.
WirelessHART: Systemarchitektur und Betrieb
Abbildung 1 zeigt ein WirelessHART-System, das die folgenden Komponenten umfasst:
- Gateway: Zentrales Gerät, das die Kommunikation zwischen dem WirelessHART-Netzwerk und dem Prozessautomatisierungs-Backend ermöglicht, das die Host-Anwendung ausführt. Das Backend ist ein kabelgebundenes Feldbus- oder Ethernet-Netzwerk und kann beispielsweise einen Process Automation Controller (PAC), ein Distributed Control System (DCS), einen Data Historian oder eine Asset Management Software enthalten.
- Zugriffspunkt: Gerät, das das Gateway mit dem WirelessHART-Netzwerk verbindet.
- Feldgerät: Einzelner Funkknoten, meist ein Sensor oder Aktor, der im Mesh-Netzwerk zugleich als Funkrouter fungiert.
- Wireless Router: Optionales kabelloses Gerät ohne Sensor oder Aktor, das rein zum Routing von Datenpaketen innerhalb des Netzwerks dient.
- Wireless-Adapter: Ermöglicht die Verbindung kabelgebundener HART-Geräte mit dem Wireless-Netzwerk.
- Drahtloses Handgerät: Endbenutzergerät zur Unterstützung der Installation, Konfiguration, Steuerung, Überwachung und Wartung des Systems.
Abbildung 1. WirelessHART-Systemarchitektur
Ein WirelessHART-Netzwerk wird um das Gateway gebildet, das in der Regel gleichzeitig als Sicherheitsmanager und als Netzwerkmanager fungiert. Es initialisiert das drahtlose Netzwerk und fügt neue Feldgeräte hinzu, wenn diese in Betrieb genommen werden. Als Sicherheitsmanager ist es für die Generierung, Speicherung und Verwaltung von Sicherheitsschlüsseln sowie die Pflege und Kontrolle der Netzwerkzugriffsliste verantwortlich. Als Netzwerkmanager ist es für die zentrale Organisation der Funkübertragungszeitpläne, der Frequenzsprungsequenzen und der Kommunikationsrouten im gesamten drahtlosen Mesh-Netzwerk verantwortlich. Es ist außerdem für die Verwaltung der Topologie, die Überwachung der Netzwerkintegrität und die Anpassung von Routen zwischen Feldgeräten verantwortlich.
Das resultierende drahtlose Netzwerk ist ein redundantes, selbstorganisierendes, selbstheilendes, adaptives Mesh-Netzwerk, das vom Netzwerkmanager zentral verwaltet werden kann. Die zentrale Konfiguration ermöglicht eine Optimierung für verschiedene Anforderungen, wie etwa Robustheit, Latenz, Determinismus oder Akkulaufzeit. Um die Robustheit zu erhöhen, bietet WirelessHART beispielsweise die folgenden Techniken:
- Zeitliche Diversität: Das Protokoll verwendet zeitgesteuerte Kommunikation und unterstützt redundante Datenübertragung über mehrere Zeitfenster, um vorübergehende Kommunikationsprobleme zu mildern.
- Kanaldiversität: Das Protokoll verwendet Kanalsprungverfahren, wobei die redundanten Datenübertragungen auf unterschiedliche Frequenzen verteilt und so vor kanalselektivem Fading und RF-Störungen geschützt werden.
- Routendiversität: Das Protokoll unterstützt die Definition redundanter Routen im Mesh-Netzwerk, um die Netzwerkrobustheit gegen Routenausfälle zu verbessern.
Seit der Einführung von WirelessHART haben die Prozessindustrien mehrere Richtlinien und Best Practices für die Bereitstellung und Verwendung des WirelessHART-Protokolls entwickelt. Bei der Kommunikation mit einem Hop lassen sich trotz Hindernissen Reichweiten von 30 m erreichen. Ohne Hindernisse sowie in Multihop-Konfigurationen sind viel größere Reichweiten möglich. Zudem sind in einer Sterntopologie Netzwerklatenzen von weniger als 100 ms möglich. Die tastsächlich erreichte Latenz hängt jedoch von Netzwerkgröße und -topologie ab. Schließlich kann das Netzwerk ohne Leistungseinbußen auf achtzig Geräte skaliert werden. Mit gewissen Leistungseinbußen, beispielsweise bei Latenz, Durchsatz oder Akkulaufzeit, sind auch bis zu 250 Geräte möglich.
WirelessHART-Protokollstapel
Der OSI-Kommunikationsstack von WirelessHART ist in Abbildung 2 dargestellt.
| Drahtloser Netzwerkstapel (WPAN) | |
| Anwendung/Anwendungsunterstützung | Befehlsorientiertes HART-Protokoll, Request/Response-Modus, Publish-Modus, Benachrichtigungen, Blockübertragung |
| Transportlayer | Verbindungsorientierter Transport, Verbindungsloser Transport |
| Netzwerkschicht | Zentral verwaltetes Multipath-Graph-Routing, Quellrouting, Proxyrouting, Sicherheit |
| Datenverbindungsschicht | 802.15.4 MAC (modifiziert), mit Modifikationen F/TDMA, zentral verwalteter TDMA, synchronisiertes Kanalhopping, geteilte Slots (CSMA-CA), Sicherheit |
| Physische Schicht |
|
Abbildung 2. WirelessHART-Protokollstapel
Die physische Schicht von WirelessHART verwendet den 802.15.4 (2006)-Standard mit der Einschränkung, nur 15 weltweit unterstützte Kanäle zu verwenden, wie in Abbildung 3 dargestellt. Dies vereinfacht das Design, den Zertifizierungsprozess und die Bereitstellung von WirelessHART-Geräten in verschiedenen Ländern erheblich, ohne dass länderspezifische Konfigurationsänderungen erforderlich sind. WirelessHART verwendet RF-Kanäle mit einer Breite von 2 MHz und einem Abstand von 5 MHz bei einer maximalen Sendeleistung von 10 dBm. Es verwendet die Offset Quadrature Phase Shift Keying (OQPSK)-Modulation und eine Datenrate von 250 kbps. Und schließlich sorgt die Verwendung von Direct Sequence Spread Spectrum (DSSS) dafür, dass der Funkstandard widerstandsfähig gegen HF-Interferenzen und Kanalschwund ist.
Um eine robuste Kommunikation in Industriequalität im überlasteten 2,4-GHz-Frequenzband zu erreichen, verwendet WirelessHART die folgenden Techniken: Die MAC-Schicht von WirelessHART verwendet Time Division Multiple Access (TDMA), um eine kollisionsfreie und deterministische Kommunikation zu erreichen. Das Protokoll nutzt Frequency Hopping Spread Spectrum (FHSS), um nach jedem Zeitschlitz auf einem anderen drahtlosen Kanal zu kommunizieren. Außerdem unterstützt das Protokoll den Ausschluss von drahtlosen Kanälen, die stark überlastet sind und unter schlechter Leistung leiden.
Abbildung 3. Frequenzkanäle von WirelessHART
Um eine robuste Kommunikation in Industriequalität im überlasteten 2,4-GHz-Frequenzband zu erreichen, verwendet WirelessHART die folgenden Techniken: Die MAC-Schicht von WirelessHART verwendet Time Division Multiple Access (TDMA), um eine kollisionsfreie und deterministische Kommunikation zu erreichen. Das Protokoll nutzt Frequency Hopping Spread Spectrum (FHSS), um nach jedem Zeitschlitz auf einem anderen drahtlosen Kanal zu kommunizieren. Außerdem unterstützt das Protokoll den Ausschluss von drahtlosen Kanälen, die stark überlastet sind und unter schlechter Leistung leiden.
Die Kommunikation zwischen WirelessHART-Geräten erfolgt in 10 ms langen Zeitfenstern. Während jedes Zeitschlitzes sendet das sendende Gerät ein Datenpaket und wartet auf eine Bestätigung vom Empfänger. Das Protokoll bildet einen Superframe, indem es eine konfigurierbare Anzahl solcher Zeitschlitze zuweist, die sich periodisch wiederholen (siehe Abbildung 4). Der Superframe wird zentral vom Netzwerkmanager gesteuert, der jedem Zeitschlitz ein Sende- und ein Empfangsgerät zuweist, sowie den drahtlosen Kanal, über den die Kommunikation stattfindet. Die daraus resultierende Zeitschlitz- und Kanalzuweisung wird zur individuellen Funkplanung an die Feldgeräte verteilt. Darüber hinaus unterstützt der Standard Merkmale wie die Nachrichtenübermittlung und die abwechselnde gemeinsame Nutzung von Zeitslots durch mehrere Sender unter Verwendung von CSMA (Carrier Sense Multiple Access).
Abbildung 4. MAC-Schicht von WirelessHART
Die Netzwerkschicht von WirelessHART unterstützt mehrere Routing-Mechanismen zum Aufbau eines robusten Mesh-Netzwerks. Zwei dieser Mechanismen sind nachfolgend aufgeführt:
- Graph-Routing ist das Haupt-Routing-Schema von WirelessHART, bei dem die Netzwerkrouten zentral vom Netzwerkmanager festgelegt und an die einzelnen Feldgeräte des Mesh-Netzwerks verteilt werden. Dieses Routing-Schema bietet Flexibilität, beispielsweise die Konfiguration unterschiedlicher Routen für Uplink-, Downlink- und Broadcast-Kommunikation. Darüber hinaus können redundante Pfade definiert werden, um die Pfaddiversität zu unterstützen.
- Das Source Routing ist ein ergänzender Routingmechanismus für Netzwerkdiagnose- und Konfigurationszwecke. In diesem Schema bestimmt das Quellgerät die Route des Pakets und schreibt die geordnete Liste der Zwischenhops in den Routing-Header des Pakets. Zwischenknoten leiten das Paket unter Verwendung dieser Informationen weiter, ohne dass vorab eine Konfiguration erforderlich ist.
Die Netzwerkschicht von WirelessHART macht es zu einem hochgradig konfigurierbaren Protokoll, da der Netzwerkmanager die volle Kontrolle sowohl über den netzwerkweiten F/TDMA-Zeitplan als auch über das Graph-Routing hat. Beispielsweise kann der Netzwerkmanager sowohl das Routingschema als auch den MAC-Layer optimieren, um geringe Latenz zu erreichen und die Stabilität insgesamt zu verbessern. Bei Optimierung der Latenz kann der Netzwerkmanager das Netzwerk auf eine Sterntopologie beschränken oder relevante Routen im Routingdiagramm basierend auf dem F/TDMA-Plan priorisieren. Und für mehr Stabilität kann der Netzwerkmanager einem Gerät die Verwendung mehrerer Zeitslots oder Routendiversität für eine Übertragung erlauben.
Die Transportschicht von WirelessHART ermöglicht eine verbindungsorientierte Kommunikation zwischen der Hostanwendung und den Feldgeräten mithilfe von End-to-End-Bestätigungen und automatischen Wiederholungsanforderungen (ARQ). Darüber hinaus unterstützt WirelessHART auch verbindungslosen Transport ohne Bestätigung, was für Fälle geeignet ist, in denen ein geringerer Overhead gewünscht ist.
Während die Anwendungsschicht von WirelessHART einen Befehl-Antwort-Kommunikationstyp annimmt, unterstützt sie auch andere Typen, wie etwa die einseitige Veröffentlichung von Daten, spontane Benachrichtigungen und Blockübertragung großer Datenmengen. Im befehlsorientierten Kommunikationsmodus gewährleistet die HART-Anwendungsschicht die Interoperabilität mit älteren HART-Geräten. Bei der Kommunikation werden folgende Befehlstypen verwendet:
- Universalbefehle müssen von allen HART-Geräten im System unterstützt werden, um beispielsweise den Gerätestatus und die Prozessvariablen zu lesen.
- Common Practice Commands sind optional, werden jedoch dringend empfohlen, da sie zusätzliche Funktionen für die Kommunikation und Konfiguration von Feldgeräten bieten.
- Wireless-Befehle sind spezifisch für WirelessHART und unterstützen die Netzwerkbildung, -wartung und -sicherheit sowie andere Hintergrundfunktionen.
- Gerätespezifische Befehle werden verwendet, um feldgerätespezifische Funktionen zu unterstützen oder herstellerspezifische Befehle zu implementieren.
Sicherheit in WirelessHART
WirelessHART sorgt mit 128-Bit-AES-Verschlüsselung auf mehreren Ebenen im OSI-Stack für Sicherheit. In der Netzwerkschicht ist jede Nachricht Ende-zu-Ende geschützt, um die Vertraulichkeit der Nachrichten, die Authentizität der Quelle und die Datenintegrität sicherzustellen. Darüber hinaus wird von allen Geräten im Netzwerk ein gemeinsamer Schlüssel verwendet, um die Nachrichtenübertragung zu erleichtern. Jedem Gerät werden bei der Inbetriebnahme individuelle Schlüssel zugewiesen und regelmäßig aktualisiert, um ein noch höheres Schutzniveau zu bieten. Darüber hinaus werden auch die Inbetriebnahme und die Kommunikation mit den drahtlosen Handheld-Geräten abgesichert. Neben der Sicherheit auf Netzwerkebene sorgt die MAC-Ebene auch für die Datenintegrität zwischen aufeinanderfolgenden Kommunikations-Hops im Mesh-Netzwerk.
Implementierung von WirelessHART mit Silicon Labs SoC
Silicon Labs bietet drahtlose SoCs wie das EFR32MG24 an, die als Grundlage für die Implementierung eines WirelessHART-Produkts dienen können. Dieses spezielle SoC enthält einen 802.15.4-kompatiblen 2,4-GHz-Funktransceiver, der im von WirelessHART verwendeten OQPSK-DSSS-Modus eine Empfindlichkeit von -105,4 dBm aufweist. Der 1536-kB-Flash und die 256-kB-RAM des EFR32MG24 können sowohl den Wireless-Stack als auch die Anwendung auf einem einzigen SoC integrieren und ermöglichen so niedrige BOM-Kosten. Darüber hinaus kann das SoC in den Modi Host, Network Co-Processor (NCP) und Radio Co-Processor (RCP) betrieben werden, um verschiedene Architekturen zu unterstützen. Auf der Softwareseite bietet Silicon Labs ein sauberes und einfach zu verwendendes Programmierframework für die RAIL-Bibliothek (Radio Abstraction Interface Layer), die die direkteste Schnittstelle zur Anpassung von EFR32-Radios auf Hardwareebene darstellt.
Zusammenfassung
WirelessHART ist ein Industriestandard, der in Prozessautomatisierungs-, Steuerungs- und Überwachungssystemen verwendet wird. Die Nutzung eines 802.15.4-Funktransceivers wurde um zahlreiche Anpassungen wie DSSS (Direct Sequence Spread Spectrum), Frequenzhopping usw. ergänzt. Dadurch kann das Protokoll die Auswirkungen von HF-Interferenzen und Kanalschwund abschwächen und so die strengen Anforderungen industrieller Anwendungen erfüllen. Da es sich bei WirelessHART um ein zentral verwaltetes Mesh-Netzwerk handelt, ist es zudem in der Lage, redundante Routen zwischen drahtlosen Knoten im Netzwerk zu unterstützen und so die Robustheitsanforderungen zu erfüllen. Schließlich ist WirelessHART abwärtskompatibel mit kabelgebundenem HART, was die Unterstützung vorhandener Geräte, Befehle und Softwaretools einschließt. Als Anbieter von IoT-Lösungen verfügen Silicon Labs SoCs, beispielsweise EFR32MG24, über die erforderlichen Hardware- und Softwarefunktionen zur Implementierung eines WirelessHART-Geräts.
